Montag, 6. Januar 2020

Wiesbaden in der Steinzeit

Wiesbaden – Im Zentrum, aber auch an vielen anderen Plätzen der hessischen Landeshauptstadt, hat man Hinterlassenschaften von Jägern und Sammlern sowie von Bauern, Viehzüchtern und Töpfern entdeckt. Die ältesten dieser Funde sind mehr als 30.000 Jahre und die jüngsten mindestens 4.000 Jahre alt. Das geht aus dem 285-seitigen Taschenbuch „Wiesbaden in der Steinzeit“ des Wissenschaftsautors Ernst Probst hervor.

Das reich bebilderte Werk beginnt mit nicht anerkannten vermeintlichen Knochenwerkzeugen von Frühmenschen aus Amöneburg vor ungefähr 600.000 Jahren. Damals jagten in der Wiesbadener Gegend noch Löwen, Säbelzahnkatzen, Jaguare und Geparde. Aus der Zeit vor mehr als 30.000 Jahren stammen Steingeräte von Wildpferdjägern an der Großen Adlerquelle in Wiesbaden sowie Artefakte und angebrannte Tierknochen vor mehr als 17.000 Jahren im Wäschbachtal bei Igstadt.

Ein „weißer Fleck“ ist Wiesbaden, was die Mittelsteinzeit zwischen etwa 10.000 und 7.000 Jahren betrifft, in der anderswo Jäger, Sammler und Fischer existierten. Deren Steingeräte (Mikrolithen genannt) sind so winzig, dass man einst Zwerge als ihre Hersteller betrachtete.

Bereits 1972 kannte man aus Wiesbaden mehr als 20 Fundorte mit Resten von Siedlungen und Gräbern der Linienbandkeramischen Kultur vor über 6.900 Jahren, die nach der Verzierung ihrer Tongefäße benannt ist. In Biebrich stieß man ab 1903 wiederholt auf Bestattungen dieser frühen Bauern. Erbenheim war vielleicht sogar Schauplatz von deren Menschenopfern und Kannibalismus. Vor 6.900 Jahren folgte die Hinkelstein-Kultur, von der man in Kloppenheim schmale Gruben fand, die zur Lehmentnahme für den Hausbau dienten.

In Dotzheim barg man Tonscherben sowie Tierknochen vom Schwein und Hund einer ab 6.800 Jahren existierenden Kultur. In einer Siedlungsgrube von Erbenheim lagen Klingen einer Sichel, die vor mehr als 6.300 Jahren benutzt wurde. Am Rhein bei Schierstein erstreckte sich vor über 5.500 Jahren eine halbkreisförmige Festung mit zwei bis zu 2,70 Meter tiefen Gräben. Bei Kastel entdeckte man einen tönernen Schöpflöffel aus jener Zeit.

An der Platter Straße hat man im Waldstück „Wiesbaden-Hebenkies“ unter einem Grabhügel Keramikfragmente einer ab 5.500 Jahren nachweisbaren Kultur gefunden, die in Nordhessen Steinkammergräber errichtete und darin teilweise mehr als 200 Tote bestattete. Im Grabhügel stieß ein Kurgast bereits 1817 bei einer Grabung auf Bruchstücke verzierter Tongefäße, eine steinerne Streitaxt und Knochen, die mal einem Pferd, einem Rind oder einem Menschenkind zugeschrieben wurden.

Am Petersberg bei Kastel und in den „Sonnenberger Fichten“ legte man einen mehr als 4.000 Jahre Glockenbecher frei. Früher hielt man Glockenbecher-Leute als einwandernde Bogenschützen und Kupfersucher. Dank des Ortsregisters am Ende des Taschenbuches lassen sich weitere Steinzeitfunde aus Wiesbaden und Umgebung schnell ausfindig machen.